2. - 3. Mai 2011
Wir waren sehr gespannt, wie die Fahrt durch den Panamakanal werden würde. In der Shelterbay-Marina ist jeder aufgeregt, ob auch alles gut klappt. Wir hatten in der Marina als wir an Land standen, ein schweizer Paar kennengelernt, die 10 Jahre vorher in den Schleusen einen ganz bösen Unfall gehabt hatten. Sie selber waren völlig unschuldig dabei, da sie längsseits an einem Schlepper geschleust wurden. Dabei war die Leinenverbindung zwischen Schlepper und Schleusenwand nicht zustande gekommen und das ganze Bootspäckchen bestehend aus dem Schlepper und zwei Yachten war unter das Heck vom Containerschiff gedriftet, das vor ihnen in der Schleusenkammer lag. Bei beiden Segelschiff kam damals der Mast von oben und weitere Schäden waren entstanden. Danach haben sie zwei Jahre in Panama verbracht, um sich vom Schock und den Schäden zu erholen, bevor sie ihre Weltumseglung fortsetzten. Sie waren nun wieder in Panama angekommen, wollten aber nicht mehr durch den Kanal, sondern ihr Schiff hier verkaufen und in Panama im Winter leben. Im Sommer lockte die Schweiz mehr.
Wir hatten Mango für die Durchfahrt gut präpariert. Etwa jeden Meter Schiffslänge hing ein Fender oder Reifen und vier 40m-Leinen lagen bereit. Dann nahmen wir unsere internationalen Linehandler an Bord. Uns halfen Lars aus Dänemark sowie Konstantin und Ovi aus Ungarn und um 12:15 Uhr hieß es Leinen los in der Shelterbay-Marina. Wir segelten unter Genua quer über die Großschiff-Reede rüber zu den „Flats“. So heißt der Bereich, wo man als Sportboot offiziell ankern darf. Dort war es ziemlich windig mit Windwelle, kein Wunder, dass alle Segler den offiziellen Ankerplatz meiden und vorm Club Nautico von Colon ankern, wenn sie nicht in der Marina liegen. Wir schmissen unseren Anker und dann hieß es warten auf den Advisor. Der Advisor ist kein voll ausgebildeter Lotse, sondern speziell für kleine Schiffe nur ausgebildet. Manche wollen später mal Lotse werden, manche auch nicht. Für uns entscheidend, er ist ziemlich viel billiger als ein Lotse. Den kann man nämlich auch als Sportboot bekommen, für ca. 2500$ gibt’s dann auch einen schnelleren Passagetermin.
Mit uns warteten der amerikanisch-brasilianische Katamaran IIWII und die australische 54-Fuß Hallberg-Rassy Walkabout. Wir alle sollten um 14:00 Uhr auf den Flats bereit sein, unsere Advisors zu übernehmen. Als kein Advisor kam, erfuhren wir über Funk, dass die Abfahrt sich auf 15:00 Uhr verschiebt. Zu der Zeit kam dann auch einen Lotsenboot, das brachte aber nur zwei Advisors für die anderen Boote. Unser Advisor kam erst 15 Minuten später mit einem anderen Lotsenboot - sehr effizient! Die Folge für uns war, dass der Advisor uns ziemlich antrieb hinter den anderen Booten zur Gatunschleuse zu kommen, obwohl wir das kleinste und langsamste der drei Boote waren. Wir preschten mit 7 Knoten dank Rückenwind durch die lange Zufahrt dahin. Von der Einfahrt durch die großen Molen, die die Reede von Colon schützen, bis zur ersten Schleuse sind es nämlich noch fast 5,5 sm. Unser Motor hatte unter uns noch nie so arbeiten müssen. Vor den Schleusen bildeten wir dann ein Päckchen. Walkabout kam als größtes Schiff in die Mitte und wir gingen Steuerbord bei ihnen längsseits.
Gut vertäut ging es dann Richtung erste Schleuse. Zuerst bekam IIWII die Leinen von Land zugeworfen, dann waren wir gefordert. Zwei Linehandler von der Schleuse warfen ihre Wurfleinen mit Affenfäusten am Ende uns ans Deck. Sie hatten gut geworfen und unsere abgedeckten Solarpaneele waren überhaupt nicht gefährdet. Schnell machten wir die Heckleine von uns an der achteren Leine fest. Die vordere Leine reichten wir an die Walkabout weiter, da diese soweit vorne länger war und nach Anweisung des Advisors diese Leine übernehmen sollte.
Als die Leinenverbindungen fertig waren, liefen wir langsam in die Schleuse ein und unsere langen Leinen wurden an Land gezogen und über einen Poller gelegt. Langsam schloss sich hinter uns das Schleusentor, damit war für uns der Atlantik verschwunden.
Bald nachdem die Tore geschlossen waren ließ der Schleusenwärter das Wasser in die Schleuse gurgeln. Und es gurgelte ordentlich. Insbesondere auf den beiden Heckleinen vom Päckchen entwickelten sich ordentliche Kräfte und die Linehandler waren gefordert diese entsprechend dem steigenden Wasserstand dichtzuholen. Der Advisor von der Walkabout gab während der Schleusung im Päckchen die Anweisungen an die drei Skipper, ob sie mit dem Motor jeweils in Vor- oder Rückwärtsfahrt die Schiffe unterstützen sollten. Unser Advisor gab dem Linehandler an der Heckleine noch Anweisungen. Nachdem wir einige Meter weiter oben waren, wurde das Gurgeln weniger und kurz darauf ging das Schleusentor vorne auf. Der kleine Frachter, der mit uns geschleust wurde, wurde von den Lokomotiven, die die großen Schiffe an Stahlseilen ziehen, in die nächste Kammer gezogen und wir motorten im Päckchen hinterher. Das Schraubenwasser vom Frachter war nicht schlimm im Vergleich zu dem einströmenden Wasser beim Fluten der Schleusen.
Die Linehandler an Land trugen unsere Leinen in die nächste Kammer und dann ging das Schauspiel wieder von vorne los. Gurgel, gurgel, Leinen dicht holen... Ab in die dritte Schleusenkammer und nochmal von vorne...
Als sich dann das Schleusentor öffnete waren wir 26m höher und im Gatunsee angekommen. Für diesen See ist der Chargres River beim Bau des Kanals extra aufgestaut worden. Der Staudamm war zur Zeit der Kanalenstehung einer der größten Staudämme der Welt. Der Kanal entstand übrigens ab 1850 und wurde 1914 eröffnet. Die ganze Entstehungsgeschichte des Kanals würde etwas den Reisebericht sprengen, deshalb nur diese Eckdaten.
Wir hatten also plötzlich Süßwasser um uns herum, aber Mango ließ sich nichts anmerken und fuhr brav zur einen Mooringboje, die im See für die Sportschiffe zum Übernachten gedacht ist. Die zwei Bojen sind riesig und aus Kunststoff. Man legt an ihnen mit Vor- und Achterleine an. Da wir wussten, dass nach uns noch mehr Sportboote geschleust werden sollten, gingen wir einfach bei der Walkabout längsseits. Um 17.35 Uhr ging unser Motor aus und wir fingen an die Ruhe des Sees zu genießen. Gebadet hat keiner, obwohl es trotz Krokodilen hier möglich sein soll. Unser großer Topf voll Chili con Carne mit Tortilla-Broten wurde erfolgreich von den ungewohnt zahlreichen Crewmitgliedern geleert. Auch der Advisor hatte natürlich seine Portion abbekommen. Man muss für den Advisor nämlich Essen und Trinken bereit halten, sein Essen ist im Kanalpreis nicht inbegriffen und wenn er etwas von Land ordert, dann wird es deutlich teurer, da die Anlieferung des Essens berechnet wird. Der Advisor ging nach dem Essen dann per Lotsenbord von Bord.
Wir klönten noch ein wenig mit dem Skipper der Walkabout. Dieser war begeisterter Angler und schenkte uns eine große Tüte tiefgefrorenen Fisch, der uns für die nächsten drei Tage reichte. Schon früh zogen sich alle zum Schlafen zurück. Zum Glück regnete es nur ganz kurz und nicht tropisch, so dass Konstantin und Ovi auf den Cockpitbänken schlafen konnten. Lars kam ins Kinderzimmer nach vorne, Niklas schlief alleine in der Achterkabine, dort war es durch die Motorfahrt zu warm für zwei. Ilka und Karen teilten sich die Koje auf dem Salontisch und Peter legte sich auf den Fußboden neben den Schwertkasten an Steuerbord. Für so viele Leute haben wir nicht genug Kojen, aber es ging für die eine Nacht. Positiv war, dass uns keinerlei Mücken quälten. In der Marina war das deutlich anders gewesen.
Als wir schon fast eingeschlafen waren, kamen im Dunkeln noch die drei anderen Sportboote, die am gleichen Tag geschleust wurden, und legten sich mit an die zwei Mooringbojen.
Am nächsten Morgen ging früh der Wecker, denn ab 6:00 Uhr musste mit der Ankunft des nächsten Advisors gerechnet werden. Um 6:55 Uhr war er dann erst bei uns an Bord und die Fahrt Richtung Pazifik ging weiter. Wir hatten unglaublich Glück, denn es kamen am Morgen nur vier Advisors und von den sechs Sportbooten, die an den Mooringtonnen warteten, mussten zwei noch eine weitere Nacht dort verbringen. Mit Schaudern dachten wir daran, wie es sein muss, mit fremden Linehandlern, die natürlich andere Pläne für den Tag haben, einen Tag an Bord Däumchen zu drehen. Oder gar, wenn unser alter Kanaltermin geblieben wäre, hätten wir ja andere Linehandler gehabt, die dadurch ihren Flug verpasst hätten. Na ja, dann hätte sich sicher eine Möglichkeit für sie gefunden, von Bord zu kommen, um den Flug zu erreichen, aber wie hätten wir dann neue Linehandler gefunden? Die Kanalbehörde interessiert das alles gar nicht, wir als Kunden müssen hier alle Terminverschiebungen mitmachen und parat sein, sonst gibt’s saftige Vertragsstrafen. Übrigens, die Großschiffahrt, die ja immer genug Crew an Bord hat, muss keine Linehandler stellen, da sie ja ganz bequem von den Lokomotiven gehalten wird. Hier übernimmt der Kanalbetrieb das ganze Handling und damit auch die Verantwortung, sobald das Schiff vor der ersten Schleuse angelegt hat.
Die Fahrt durch den Gatunsee war sehr schön. Unser Advisor trieb uns natürlich wieder etwas an, aber diesmal ließen wir uns nicht aus der Ruhe bringen. Wir hatten schließlich 6 Knoten als Maximalgeschwindigkeit beim Vermessen angegeben, mehr wollten wir unserem Motor auf die Strecke nicht zumuten. Wir sollten sogar das Vorsegel ausziehen, als der Wind mal günstig von achtern kam, aber das brachte nicht viel, denn der Wind war hinter dem nächsten Inselchen im See auch gleich wieder weg. Der Kanal zieht sich ca. 20 sm durch den See, wobei wir eine kleine Abkürzung fuhren, die von flachen Schiffen genommen werden kann. Links und Rechts war üppiges Grün und wir sahen viele Vögel. Hier ist die Natur sehr unberührt und die Großschifffahrt, die uns zahlreich überholte, wirkt ein wenig fehl am Platz.
Nach dem See wird der Kanal enger und es geht durch den sogenannten Gailllard Cut. Hier ist der Kanal wirklich 7,5sm durch den Fels gehauen worden. Am Ufer kann man gut die Bauweise erkennen. Auch bei unserer Durchfahrt wurde dort gebaggert, denn dort wird zur Zeit der Kanal für größere Schiffe erweitert.
Am Ufer rumpelte mehrmals auf der Eisenbahnstrecke entlang des Kanals ein Zug mit vielen Containern vorbei. Der Transport ist billiger als die Kanalpassage. So sind die Häfen in Colon und Panama City gut beschäftigt. Einmal am Tag fährt auf der Strecke ein Personenzug in jede Richtung. Wäre das zeitlich möglich, hätten wir vielleicht eine Tagestour nach Panama City gemacht. Die Eisenbahnstrecke geht nämlich zum Teil über einen Damm über den Gatunsee und immer entlang des Kanals und ist sehr schön.
Der Gaillard-Cut ist navigatorisch im Vergleich zum Nord-Ostsee-Kanal auch nicht viel anders, eher ist mehr Platz zwischen der Großschifffahrt und den Sportbooten. Um 11:00 Uhr machten wir in Sichtweite der Pedro-Miguel-Schleuse an einem dicken Poller für die Großschifffahrt fest. Wir mussten nämlich auf unsere Schleusung noch ein wenig warten, nachdem wir bis 10 Minuten davor noch zur Eile getrieben worden waren. Die halbe Stunde nutzten wir für ein Mittagessen und freudig fielen alle über die Frikadellen und den Kartoffelsalat her. Das Frühstück war ja schon lange her.
Nach dem Essen ging es weiter, wir bildeten diesmal mit dem englischen Katamaran „Thelos“ ein Päckchen. Nach einigen Warterunden lagen wir um 12:40 Uhr in der Pedro-Miguel-Schleuse. Das herunter Schleusen war deutlich entspannter als das Schleusen hinauf. Man musste nur die Leinen fieren, da konnte sogar Niklas unter Aufsicht von Lars helfen.
Im Päckchen ging es dann 9m tiefer über den Miraflores Lake zu den Miraflores Schleusen. Diese zwei Schleusen sind 0,9sm lang. Beeindruckend war der Containerfrachter über uns in der Schleusenkammer nebenan!
Das Schleusen klappte auch hier problemlos und dann waren wir im Pazifik! Unter der Bridge of the Americas hindurch fuhren wir als erstes zum Balboa Yacht Club, wo unsere Linehandler am Ponton der Tankstelle von Bord gingen und unser Agent uns die Reifen und Leinen, die wir geliehen hatten, wieder abnahm. Da es dort keine freie Mooring gab, ging unsere Fahrt dann noch ein Stück weiter um die Ecke zum großen Ankerplatz von Panama City, der „Las Brisas“ genannt wird und auf der Nordseite von drei durch einen Damm mit dem Festland verbundenen Inseln neben der Einfahrt zum Panamakanal liegt. Unser Anker fiel um 16:50 Uhr im großen Ankerfeld. Glücklich hatten wir den Pazifik erreicht.
Übrigens hat Lars gefilmt bei seiner Mitfahrt als Linehandler und diesen Film gibt es hier.
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